Human Generated Data – the missing Link in an IIOT-Landscape. 

Ein Leitfaden wie der strukturelle Wandel zu einer Smart Factory langfristig gelingt. 

Während sich die Geschäftswelt im speziellen Industrieunternehmen hauptsächlich mit der Explosion maschinell erzeugter Daten befasst, ist ein Bestandteil von Big Data „Human-Generated Data“ bereits längst verfügbar. Die Erfassung von „Human-Generated Data“ als strukturierte Datenquelle verschafft Unternehmen ein umfassendes Verständnis über geistiges Eigentum, gelebte Arbeitsabläufe und macht sichtbar, wie Unternehmensabläufe wirklich funktionieren. Gemeinsam bilden strukturierte digitale Daten den Erfolgsgarant für gesteigerte Effizienz und Produktion innerhalb von Industrieunternehmen. So weit die Theorie. Für einen nachhaltigen Change-Prozess braucht es strukturierte, über verschiedenste Systeme hinweg konsolidierende Daten. Nur so kann der Wandel zu einem digitalen Unternehmen bzw. einer Smart Factory überhaupt funktionieren. In diesem Artikel befassen wir uns damit, welche Rolle Big Data in IoT bzw. IIoT- Szenarien spielt, was Big Data beinhaltet und wie sich der strukturelle Wandel zu einer Smart Factory mit einer nachhaltigen Transformationsstrategie richtig umsetzen lässt. 

Was bedeutet Smart Factory und Industrie 4.0?

Smart Factory bedeutet intelligente Fabrik. Dabei handelt es sich um eine selbst organisierende Organisationsumgebung. Sie stellt die Vernetzung von Maschinen und IT-Systemen entlang der Supply Chain und des Produktionsprozesses dar. Eine wesentliche Anforderung an eine Smart Factory ist dessen Wandlungsfähigkeit und Agilität. 

Was sind strukturierte und unstrukturierte Daten?

Digitale Daten können in unstrukturierte und strukturierte Daten unterschieden werden. Strukturierte Daten weisen im Gegensatz zu unstrukturierten Daten eine normalisierte Form auf, sodass sie in zeilen- und spaltenorientierten Datenbanken gespeichert werden können. Für Software-Programme ist es sehr schwer möglich, unstrukturierte Daten zu verarbeiten, weshalb sie bei der Automatisierung von Prozessen oder zur Analyse nur sehr schwer nutzbar sind. Heutzutage ist der Großteil der anfallenden Datenmengen in Unternehmen unstrukturiert, haben jedoch einen immensen Mehrwert, da darin viele wertvolle Informationen enthalten sind. Um sie dennoch zu verarbeiten, muss im ersten Schritt eine Art Struktur aus den Daten gewonnen werden. 

Was ist IoT und wo wird es angewendet?

IOT ist die Abkürzung von Internet of Things (Internet der Dinge) und bezeichnet die Vernetzung von physischen Objekten bzw. Dingen durch Sensorik, Software und anderen Technologien. Durch die Vernetzung wird ein Datenaustausch zwischen Geräten ermöglicht. 

Smarte Technologien, die IOT möglich gemacht haben: 

  • Sensortechnologie
  • Konnektivität
  • Cloud-Computing-Plattformen
  • Machine Learning 
  • Künstliche Intelligenz (KI)
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Die Bedeutung von IIoT für das produzierende Gewerbe 

IIOT bedeutet Industrial Internet of Things bzw. Industrielles Internet der Dinge und bezieht sich, wie der Name schon vermuten lässt, auf IoT-Technologien in einem industriellen Umfeld. Neben der Machine-to-Machine Kommunikation unterstützen Cloud-Technologien wie Analyse und Machine Learning bei der Automatisierung und Steuerung von Produktionssystemen. 

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Die aktuelle technologische Entwicklung hat bewirkt, dass nahezu alle digital gesteuerten Produktionsmaschinen mit smarten Schnittstellen für die automatisierte Kommunikation ausgestattet sind. Technologisch sind sie in der Lage, ohne menschliche Eingaben spezifische Aufgaben automatisiert zu starten, den Status in Echtzeit mitzuteilen und Folgeprozesse direkt anzustoßen. 

Theoretisch ist es möglich, den gesamten Produktionsprozess vollständig zu automatisieren. Selbst intra-logistische Prozesse wie die Versorgung mit Rohmaterialien und dezidierten Produktionskomponenten kann mittlerweile automatisiert abgebildet werden. Doch wie überall gibt es auch hier eine Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis. Versuchen wir, uns der Thematik schrittweise anzunähern und darzustellen, an welchen Stellen der Prozesskette die Vollautomatisierung an Ihre Grenzen kommt und welche Teilhabe und Einfluss der Mensch in diesem Umfeld hat.

„Ohne menschliche Eingriffe weitgehend selbst organisieren”, indiziert schon, dass es eine Interaktion zwischen dem Menschen und den automatisierten Prozessen geben muss. An welchen Stellen ist der Mensch unverzichtbar und wie kann via Mensch-Maschine-Interface ein solcher Interaktionsprozess eingebunden werden? In diesem Zusammenhang spielen die Datenstrategie und die Vernetzungsstrategie eine entscheidende Rolle! 

Die Bedeutung von IIoT / IoT für die digitale Transformation

Die Transformation im Bereich IoT/IIoT schreitet schnell voran. Heute ist es ein weitverbreiteter Standard, dass ein von der Maschine initiierter Instandhaltungsauftrag automatisiert erzeugt und innerhalb des MES/ERP in den Produktionsprozess eingeplant wird. Zudem wird die Ersatzteilversorgung automatisiert angesteuert und die Ressourcen im intra-logistischen Prozess just-in-time bereitgestellt. Es geht mittlerweile sogar so weit, dass der Einfluss von Wartungs- und Instandhaltungsprozessen auf die Produktionsplanung und die Belieferung von Kundenaufträgen detailliert berechnet wird und der Kunde automatisiert eine Mitteilung zum voraussichtlichen Lieferverzug erhält. 

Herausforderungen & Chancen von IIoT im Smart Factory Kontext

Für eine Transformation in Richtung Smart Factory müssen zu Beginn einige technische Herausforderungen bewältigt werden, um entsprechende und dem Investment angemessene Benefits zu erzielen: 

  • Kompatibilität und Prüfung technischer Voraussetzungen 
  • Budgetierung (im speziellen der langfristige finanzielle Aufwand zur Aufrechterhaltung, Support und Weiterentwicklung), 
  • Konnektivität und Datenintegrität 
  • Schutz der generierten Daten
  • Akzeptanz bei Mitarbeiter:innen
  • Laufende Erweiterungen & regelmäßige Updates

Auf der anderen Seite eröffnet die Implementierung von IIOT-Lösungen Unternehmen verschiedenster Branchen große Wachstumschancen und ermöglicht die Ausweitung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. 

  • Höherer Automatisierungsgrad von zuvor manuellen Tätigkeiten 
  • Optimierung von innerbetrieblichen Wertschöpfungsketten 
  • Arbeits- und Produktionsprozesse werden transparenter
  • Maschinendaten in Echtzeit
  • Niedrigere Durch

Bevor es in die konkrete Umsetzung geht, sollten grundlegende Überlegungen getätigt werden:  

  • Welche Datenquellen gibt es? 
  • Welche Daten stehen bereits zur Verfügung?
  • Wie können diese konsolidiert zur Verfügung gestellt werden? 
  • Welche Prozesse und Workflows sollten digitalisiert werden? Bei welchen Prozessen bedarf es weiter manuelle Inputs?
  • In vielen Betrieben wird die Steuerung und Bedienung von Maschinen und Anlagen noch manuell von Menschen durchgeführt wird. Was passiert mit diesen Mitarbeitern, wenn die Maschinen weitgehend autark funktionieren?
  • Woher kommt der “Input”, wenn die eingebenden bzw. bedienenden Elemente wegfallen? 
  • Kann wirklich jede Eingabe automatisiert und “touchless” erfolgen?

Selbst wenn die technische Ausstattung einen Umstieg auf Smart Factory zulassen würde und die Vernetzung sowie Datenkonsolidierung bereits umgesetzt ist, müssen die gesamten Arbeitsanweisungen und SOP’s neu gedacht und formuliert werden sowie für die durch IIoT wegfallenden Arbeitsschritte entsprechende Aufsichts- und Kontrollprozesse definiert werden. Die Vernetzung und Konnektivität von Anlagen ist nur ein Baustein in einem großen Puzzle und Daten- bzw. Prozessbrüche sollten wenn möglich vermieden werden.

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Trotz umfassender Vernetzung und automatisierter Integration innerhalb der verzweigten Systemlandschaft besteht weiterhin ein Bottleneck beim Menschen und den etablierten Prozessabfolgen in Unternehmen.

Der Mensch im Mittelpunkt – ein Auszug aus der Praxis: 

Ein automatisch im Rahmen von “Predictive Maintenance” durch eine IIoT-Device erzeugter Instandhaltungsauftrag sowie die Materialbeschaffung der Ersatzteile muss wie jeder andere Arbeitsauftrag durch die jeweiligen Prozess- und Kostenstellenverantwortlichen freigegeben werden. Diese im Qualitätsmanagementsystem gemäß ISO 9001 definierten und teilweise mehrstufigen Freigabe- und Reviewprozesse sind größtenteils im ERP oder einem speziellen Procure-To-Pay System angesiedelt. Dort muss der Mensch aktiv eine Aktion durchführen, um den Auftrag sowie den Material- und Personalbedarf freizugeben. Wenn man diese strengen Freigaberoutinen im Zuge einer Smart Factory ändern oder automatisieren will, bedeutet das auch einen Eingriff in die Budgethoheit eines Kostenstellenleiters. Bis zum Ende gedacht bedeutet Smart Factory also auch, sich über die finanzbuchhalterische Grundordnung hinwegzusetzen bzw. die Kostenstellen- und Kostenträgerstruktur anzupassen. Spätestens an diesem Punkt sprechen wir über Eingriffe am offenen Herzen eines Unternehmens. In der Realität sind solche internen Freigabeprozesse mittlerweile zwar weitgehend digitalisiert, aber selten automatisiert und so hängt es an dem verantwortlichen Menschen und seiner persönlichen Einstellung bzw. seinem Prioritäten-Management, wie schnell solche Freigaben erfolgen. Es kommt nicht selten vor, dass der Freigeber nur 1x pro Woche im Stapel alle internen Aufträge prüft und freigibt. Im Urlaubs- und Krankheitsfall liegen solche Freigabeprozesse des Öfteren bei einem abwesenden Mitarbeiter und es gibt selten durchdachte Vertreterregelungen für budgetkritische Prozesse. Das bedeutet, dass auch bei vollständiger Vernetzung der Maschinen und relevanter Systeme, der Mensch ein Bottleneck darstellt, der die Prozesseffizienz insgesamt nachhaltig negativ beeinflusst.

Für eine erfolgreiche und vor allem gewinnbringende Implementierung von IIOT-Lösungen für alle Beteiligten bedarf es einer durchgängigen Daten- und Vernetzungsstrategie. Sowohl hinsichtlich einer strukturierten Erfassung von maschinellen und mensch-generierten Daten als auch durch Einbeziehung aller relevanten Stakeholder, Prozesse und Betriebsmittel. 

Die maschinelle Vernetzungs- und Datenstrategie

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Ein- und Ausgangssignale auf Feldebene

Die Feldebene wird als Sensor- und Aktor Ebene bezeichnet. Sie liegt an der untersten Stelle im Steuerungsprozess. An diesem Punkt findet die Steuerung der Prozesse in der Produktion und Fertigung statt. Aktoren sind im weitesten Sinne “Trigger” durch Daten, welche maschinell (z.B. Sensoren, RFID, Bluetooth, NFC, etc.) oder durch Menschen erfasst und verarbeitet werden. (vgl. Kunbus.de https://www.kunbus.de/automatisierungspyramide.html

SPS auf der Steuerungsebene

Der Begriff „SPS“ leitet sich vom englischen Terminus „Programmable Logic Controller“, kurz PLC, ab. Definiert wird die speicherprogrammierbare Steuerung nach der EN 61131 folgendermaßen:

Eine SPS ist ein digital arbeitendes elektronisches System für den Einsatz in industriellen Umgebungen mit einem programmierbaren Speicher zur internen Speicherung der anwenderorientierten Steuerungsanweisungen. Implementiert werden z.B. Verknüpfungssteuerung, Ablaufsteuerung, Zeit-, Zähl- und arithmetische Funktionen um durch digitale oder analoge Eingangs- und Ausgangssignale, verschiedene Arten von Maschinen und Prozessen zu steuern. (EN 61131, Teil 1) (vgl. Kunbus.de https://www.kunbus.de/automatisierungspyramide.html )

SCADA im Rahmen der Prozessebene

Supervisory Control and Data Acquisition (SCADA) ist eine Kombination aus Hardware und Software, die für die industrielle Automatisierung verwendet wird. SCADA ermöglicht es den Nutzer:innen:

  • industrielle Prozesse sowohl lokal als auch aus der Ferne zu überwachen und zu steuern
  • Daten zu erfassen, zu verarbeiten und aufzuzeichnen
  • mit lokalen Maschinen zu interagieren

Mit SCADA-Systemen können Unternehmen intelligentere Entscheidungen treffen, die Effizienz zu verbessern und Ausfallzeiten minimieren. SCADA wird in einer Vielfalt von Branchen eingesetzt und ist im Bereich der Fertigung, Automatisierung, Öl- und Gas- sowie Abwasserwirtschaft weit verbreitet.

SCADA-Systeme arbeiten, indem sie von lokalen Sensoren, Geräten und SPS – die Datensätze sammeln, welche als Tags bezeichnet werden und mit einem Server vor Ort oder einer virtuellen Maschine verbinden. Die Daten können in einer historischen Datenbank gespeichert werden, damit sie später analysiert werden können. Die Nutzer interagieren lokal mit dem SCADA-System, um Prozesse über Bediener-Workstations, HMIs oder direkt auf dem SCADA-Server zu steuern.

MES als Betriebsleit- oder Leitstandebene

Als Manufacturing Execution System (MES) wird eine prozessnah operierende Ebene eines mehrschichtigen Fertigungsmanagementsystems bezeichnet. Oft wird der deutsche Begriff Produktionsleitsystem (PPS) synonym verwendet.

Ein PPS-System (kurz für Produktionsplanungs- und Steuerungssystem) ist ein Computerprogramm oder ein System aus Computerprogrammen, das den Anwender bei der Produktionsplanung und -steuerung unterstützt und die damit verbundene Datenverwaltung übernimmt.

ERP als führendes System und letzte Instanz auf Unternehmensebene

Enterprise-Resource-Planning bezeichnet die unternehmerische Aufgabe, Ressourcen wie Kapital, Personal, Betriebsmittel, Material und Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne des Unternehmenszwecks rechtzeitig und bedarfsgerecht zu planen, steuern und verwalten. ERP Systeme sind das Herzstück jedes Unternehmens und das führende System für alle verbundenen Applikationen sowie aller Frontend und Backend Systeme.

Die besondere Herausforderung für Change Prozesse und Digitale Transformation liegt in der Komplexität der ERP Systeme und den langen Vorlaufzeiten bei der Planung von Anpassungen und funktioneller Erweiterungen. Da am Ende jedes angeschlossene System eine Konnektivität zum ERP System bereitstellen muss, gibt am Ende das ERP System den groben Rahmen vor, in welchem digitale Transformation umgesetzt werden kann. In diesem Zusammenhang nimmt die Datenstrategie eine entscheidende Bedeutung ein. Es weitverbreitetes Lösungskonzept ist die Datenhaltung in externen Systemen und die Verlinkung in das ERP. So lassen sich ERP Funktionalitäten über externe Addon Systeme erweitern und der Anpassungsaufwand im ERP System kann minimiert werden.

Die drei wichtigsten Rollen in der Daten- und Vernetzungsstrategie

Die Grundvoraussetzungen für einen erfolgreichen technologischen Wandel zum digitalen Unternehmen unter Einbeziehung von IoT und IIoT sind die Berücksichtigung der drei wesentlichen personellen Perspektiven. Es ist entscheidend, dass die Anforderungen aus diesen Perspektiven konsolidiert, in den Sollprozess eingeplant und technologisch in allen Facetten berücksichtigt werden.

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2.1 Die Business Perspektive zur IIoT Prozessautomation

Die Business Perspektive beinhaltet sowohl finanzielle als auch prozesstechnische Feinheiten und zeichnet sich durch eine Priorisierung auf Aspekte des Controllings aus. Im Fokus stehen Prognosen und KPIs sowie die Wertigkeit von Daten für strategische Entscheidungen. Digitale Geschäftsmodelle inkludieren außerdem ROI Fragestellungen für die weitere Investitions- und Vernetzungsstrategie. Die durch IIoT von Maschinen automatisiert erzeugten Daten ergeben zwar durchaus einen nennenswerten Mehrwert für die Business Perspektive, dennoch sind diese Daten allein nicht aussagekräftig genug für ein umfassendes Controlling und eine Strategiebetrachtung. Es fehlen i.d.R. Einsichten aus durch Menschen generierten bzw. erfassten Daten, welche über den gesamten mehrstufigen verwaltungstechnischen oder administrativen Bearbeitungsprozess resultieren und/oder die durch effektive Durchlaufzeiten, Bearbeitungszeiten, Wartezeiten oder Rüstzeiten entstehen. Die menschliche Arbeitszeit stellt nach wie vor eine der größten Kostenblöcke innerhalb der Prozessketten dar und die Dokumentation dieser Prozesse in strukturierten und schlussendlich auswertbaren Daten erfolgt größtenteils durch wenig effiziente und teildigitalisierte manuelle Eingaben in ERP oder MES Systemen oder in Excel, Word oder Webdokumenten.

Dies führt teilweise dazu, dass ein automatisiert generierter Instandhaltungsauftrag mit einem Sollaufwand von 2 Stunden (=Produktionsunterbrechung) eine interne administrative Bearbeitungszeit (Wartezeit, Freigabeprozess, Dokumentation, etc.) von 6-8 Stunden mit sich bringt. In dieser Zeit könnte auch ein vollständig manuell initiierter Instandhaltungsauftrag durchlaufen.

Die Rolle der IT innerhalb der Smart Factory Digitalisierungsstrategie

Im Rahmen von Digitalisierungsprojekten nimmt die IT seit vielen Jahren eine äußerst prägnante Stellung ein. Bei Smart Factory Projekten geht es der IT vorrangig um Konnektivität und Compliance bzgl. Datenintegrität, Datenverteilung, Datenzugriffen, Cyber Security und Systemintegration. Das Problem liegt in der enormen Komplexität, die verschiedenen Perspektiven unter einen Hut zu bekommen. 

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Die Management Perspektive verlangt nach mehr Daten, KPIs und treffsicheren Prognosen. Die Shop Flor Perspektive wünscht sich intuitives Arbeiten, effiziente Datenerfassung und Automatisierung. Beides zusammen muss im Smart Factory Szenario hinsichtlich Daten- und Vernetzungsstrategie gleichermaßen berücksichtigt und analog der Datenschutz-Policy und generellen Sicherheitsfragen konzeptioniert werden. Bei aus IoT und IIoT generierten Daten ist die Sachlage relativ einfach, denn diese Maschinen sind bereits vorhanden und es dreht sich vorrangig um die Verarbeitung, Vernetzung und Konsolidierung der zur Verfügung stehenden Datenpakete und um Konnektivität hinsichtlich Formate und Übertragungskanälen. Bei der Shop Floor Perspektive und den dort vorrangig von Menschen generierten Daten kommt eine weitere Komplexität hinzu. Digitalisierung, Automatisierung und effiziente sowie gleichermaßen intuitive Erfassungsinterfaces bringen in der Regel eine zusätzliche Softwarelösung mit ins Projekt und es werden Technologien verwendet, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) und bzgl. Prognosen, Machine-Learning und Deep-Learning auf Big Data Prozessen beruhen. Big Data bedeutet in der Regel verschiedene Data Lakes anzulegen, die idealerweise nicht zu Data Swamps verkommen sollten und eine feingliedrige Datenpflege und regelmäßige Datenbereinigung beinhalten.

Human-Generated Data aus dem Shop Floor

Human-Generated Data beschreibt von Menschen erzeugte Inhalte und Daten wie Dokumente, Präsentationen, Meeting-Notes und Excel Listen. Diese Daten entschlüsseln häufig die Vision, den Process und die tatsächlichen Tätigkeiten innerhalb des Unternehmens. Die Erstellung, die Art und Weise wie sie verbreitet werden und verwendet werden ermöglichen detaillierte Einblicke wie eine Organisation tatsächlich funktioniert. 

Die noch weit verbreitete Erfassung von Daten auf Papier mit anschließender Archivierung in digitaler Form ist keine Datenerhebung im Rahmen einer Daten- oder Vernetzungsstrategie. Selbst die Datenerfassung in Excel, Word, Power Point oder ähnlichen Tools bzw. Datenbanken erfüllt nicht die Anforderungen an eine Smart Factory, da maßgebliche Parameter nicht konsolidiert zusammengeführt und indexiert werden. Strukturierte Datenerfassung durch Menschen im Sinne einer IoT und IIoT Vernetzungsstrategie beinhaltet zu jedem Datensatz und Parameter eine Verknüpfung mit zusätzlichen benutzer- und standortbezogenen Informationen (Wer, Was, Wann, Wo, Warum) inkl. der detaillierten Dokumentation dieser Daten und Datenquellen. Ohne erweiterte Indexierungsparameter lassen sich die Daten schlichtweg nicht in Bezug setzen und es gibt keinen Mehrwert im Zusammenspiel mit vernetzten Maschinen. Kurz gesagt, stellen sie ein sehr mächtiges Werkzeug im Rahmen von Prozessoptimierungen in Industrie 4.0 Szenarien dar. 

Häufig entsteht der Eindruck, dass Künstliche Intelligenz (KI), Augmented Reality (AR) und Robot Process Automation (RPA) für sich Hauptbestandteile einer IIOT-Strategie sind und der Mensch nur als Bediener und Überwacher der elektronischen Helferlein benötigt würde. 

Der Mensch jedoch wird nach wie vor im Mittelpunkt aller Entstehungsprozesse stehen, besonders bei wertvoller Datengenerierung im Shopfloor. Mehr und besser strukturierte Daten zu erfassen und zu verarbeiten ist der Grundstock, auf dem KI und andere Automatisierungsformen aufsetzen und repetitive manuelle Tätigkeiten automatisiert übernehmen, um den Menschen entlasten.

Welche Vorteile ergeben sich durch Human-Generated Data? 

  1. Vielfältigkeit
  2. Detailtiefe / Akkuratesse
  3. Individualisierungsgrad
  4. Situationsbedingte Eindrücke
  5. Subjektive Wahrnehmung und verknüpfte Erfahrungen

Vielfältigkeit 

Es gibt eine Reihe von Datenerhebungen, welche durch menschliche Eingaben in Systemen (z.B. Fertigungsauftrag in MES/PPS, Zeitwirtschaft “Kommen, Gehen, Pausenzeiten”, etc.) stattfinden und in der Theorie auch via IoT oder IIoT Schnittstellen automatisiert erhoben werden können. Darüber hinaus gibt es aber weitere unzählige Daten, die nicht eingegeben werden und somit in keiner vernetzten Maschine oder System vorhanden sind. Dazu zählen z.B. Standortdaten des Mitarbeiters (könnten ggf. via Ortungstechnologien auf Smartphones automatisiert werden), vorbereitende Arbeitsschritte gemäß Standard Operating Procedure (SOP) und die Einhaltung/Durchführung von diesen spezifischen Arbeitsanweisungen.

Abhängig von der Branche und dem Job Profil nehmen diese potentiell datengenerierenden Nebentätigkeiten in einem Produktionsbetrieb einen nennenswerten Anteil an der Arbeitszeit ein, welche durch geplante Tasks (z.B. Rüstzeiten, SOPs, QA, etc.) und weitere ungeplante Tätigkeiten (z.B. Suchen und Finden von Arbeitsmaterial oder Werkzeug, Unterstützung von Kollegen, etc.), oder menschliche Grundbedürfnisse wie BioBreaks (speziell in Reinräumen problematisch) noch angereichert werden. Hinzu kommt der allgemeine Dokumentationsaufwand auf Papier, Notizblock oder Excel, welcher oftmals nicht in strukturierten Daten erfolgt und daher keinen Mehrwert für die Smart Factory Perspektive bildet. 

Das Ziel sollte stets sein, das gesamte Tätigkeitsspektrum der Mitarbeiter:innen detailliert und strukturiert zu erfassen, um möglichst tiefgehende Einblicke in bestehende Bottlenecks und mögliche Prozessverbesserungen zu erhalten. Ein einfaches Mittel zu Erfassung von Nebentätigkeiten und Vorbereitungs- bzw. Rüstzeiten sind z.B. digitale Checklisten, bei denen Mitarbeiter:innen auf dem Smartphone oder Tablett Ihre Aktivitäten effizient und in Zusammenhang mit der Art der Tätigkeit dokumentieren können. Auch die Einsicht über den Zeitaufwand für produktionsbezogene Rüstzeiten und die Befolgung der SOPs können entscheidende Mehrwerte bringen. Digitale Checklisten bringen Licht ins Dunkel der digital optimierten Produktionsprozesse.

Detailtiefe und Akkuratesse 

Der Sinn einer strukturierten Datenerhebung ist die Möglichkeit, aus der konsolidierten Sicht entsprechende Erkenntnisse gewinnen zu können und Prognosen treffsicherer zu machen. Dabei ist es entscheidend, die richtigen Fragen zu stellen und die für die Management Perspektive Zusammenhänge herstellen zu können. Darüber hinaus gibt es auch Mehrwerte für die Fachabteilung selbst, um effizienter arbeiten zu können oder um die Mitarbeiterzufriedenheit zu stärken. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Arbeitsauslastung, dem Stresslevel und der Mitarbeiterzufriedenheit in Bezug auf produktive Arbeitsinhalte (das Ergebnis der Arbeit ist ersichtlich und messbar), administrative Tätigkeiten wie Prozessdokumentation (der Output des Mitarbeiters bleibt unverändert und unmessbar) und sonstige Nebentätigkeiten (frustrierende oder motivierende Wirkung abhängig von Effizienz und Auswirkung). Grundsätzlich gilt, dass Akkuratesse und Detailtiefe einen positiven Effekt haben können, wenn es einen gefühlten oder messbaren prozesstechnischen Mehrwert bringt. Bei unmessbaren Effekten oder dem subjektiven Gefühl einer erzwungenen Zeitverschwendung erzeugt die identische Tätigkeit dagegen Frust und wirkt demotivierend. Quality Culture ist hier das passende Schlagwort. Digitalisierung und Automatisierung bedeutet also auch, den Menschen optimal und wertschöpfend miteinzubinden und einen dynamischen Eigenanspruch an die Qualität der Arbeit und die Akkuratesse der Ausführung zu generieren. 

Individualisierungsgrad 

Bei Daten stellt sich immer die Frage nach dem Kontext der Erhebung, da dieser die Gültigkeit der Erkenntnisse definiert. Allgemein erhobene Daten haben selten spezifische Aussagekraft. In der Wirtschaft gibt es einen identischen Zusammenhang zwischen der allgemeinen statistisch relevanten Erkenntnis aus Standardprozessen und der individuellen Betrachtung von fallbezogenen Wirklichkeiten. Der Individualisierungsgrad von Daten bestimmt also die Ausstattung des Werkzeugkoffers, welcher zur Optimierung zur Verfügung stehen wird.

Bezugnehmend auf Compliance in den verschiedensten Bereichen müssen wir feststellen, dass es eine unüberschaubare Menge an sehr detaillierten Daten gibt, die zur Beachtung von Normen und Standards und zur Messung von Qualität notwendig sind. Es stellt sich die Frage, inwieweit eine Datenerhebung nur einem Zweck dienen kann, oder ob durch eine umfassende Prozessdokumentation die Daten an verschiedenen Stellen zur Anwendung kommen können. Die Erfahrung zeigt, dass viele in SOPs, Arbeitsanweisungen und Prozessdokumentationen definierten Arbeitsabläufe durch die Verknüpfung mit zusätzlichen Fragen (Normabweichungen, Messwerte, etc.) und individuellen verwaltungstechnischen Erhebungen (Projekt-, Auftrags- oder Seriennummer, etc.) bereits einen erheblichen Mehrwert generieren können. Auch in diesem Kontext sind digitale Checklisten ein Mittel und Werkzeug, um Anweisungen mit Prüfschritten zu kombinieren und als Folge wertvolle Erkenntnisse zu Prozessverbesserungen oder Qualitätsmängeln zu erlangen. Gleichzeitig schafft man dadurch eine neue Datenebene für statistische Auswertungen. Individualisierte Daten im Rahmen allgemeingültiger Standardprozesse zu erheben, erfüllt einen doppelten Zweck.

Situationsbedingte Eindrücke 

Ein weiterer entscheidender Aspekt für die Mehrwerte durch menschlich generierte Daten ist die Einbeziehung von situationsbedingten Eindrücken und Umständen in die Datenerhebung und Dokumentation von Prozessen. Menschen haben sehr spezifische Erfahrungsquellen und das menschliche Gehirn arbeitet mit unnachahmlichen Routinen und einem bisher nicht gänzlich erforschtem Ablagesystem. Anders als in Dokumentenmanagement Systemen (DMS) speichert das Gehirn Erfahrungen und Eindrücke nicht nur unter einer “Belegart” und einem “Index”, sondern bezieht sensorische und umgebungsbezogene Eindrücke (z.B. Gerüche, Temperatur, etc.) bei der Datenkonsolidierung automatisch mit ein. Diese Verfahrensweise ermöglicht es dem Menschen, zusätzliche Verknüpfungen anzulegen und bei der Analyse und Fehlersuche auch wenig offensichtliche Zusammenhänge mit ins Kalkül zu ziehen. Dadurch entsteht ein Mehrwert, der durch KI niemals erreicht werden kann. Die Herausforderung ist, situationsbedingte Parameter abzufragen und als strukturierte sowie individualisierte Daten in Verbindung mit dem spezifischen Arbeitsschritt zu erfassen.

Subjektive Wahrnehmung und verknüpfte Erfahrungen

Als letzte Kategorie von Human-Generated Data wären noch subjektive Erfahrungen zu nennen. Auch hier spielt das menschliche Gehirn bzw. die Speicher- und Ablageprozesse eine entscheidende Rolle. In der Pädagogik gibt es eine weit verbreitete Erkenntnis, dass es keine wirklich objektive Beobachtung geben kann und jede einzelne Wahrnehmung rein subjektiv unter Einbeziehung von Sinnen und Emotionen durch einen automatischen Datenkonsolidierungsprozess im Gehirn erfolgt. Der Mensch hat defacto geringen Einfluss auf den Speicherort und die Indexierung der im Gehirn abgelegten Informationen. Bei Erinnerungen und Erfahrungen greift menschliche Gehirn auf das Faktengedächtnis zurück und kombiniert dieses mit dem unterbewusst vernetzten Emotionsgedächtnis, um daraus eine möglichst zweckdienliche und realitätsnahe Erinnerung zu erzeugen.

Was bedeutet die Erkenntnis über subjektive Wahrnehmung für die Gestaltung von dezidierten Fragestellungen in Dokumentations- und Analyseprozessen?
Um im Rahmen einer Analyse und Dokumentation subjektive Wahrnehmung mit einfließen zu lassen und strukturierte Daten zu erheben, benötigt man “Trigger” in der Fragestellung sowie einen frei definierbaren Antworthorizont. Checklisten und Fragebögen sollten daher immer den Anspruch haben, am tatsächlichen Arbeitsplatz und im gewohnten Umfeld erhoben zu werden und zumindest punktuell spezifische bekannte Situationen zu simulieren, um das Emotionsgedächtnis anzusprechen und eine subjektiv konsolidierte Realität zu extrahieren bzw. zu dokumentieren.

Automatisierung beginnt mit der Digitalisierung im Shop-Floor

In den bisherigen Abschnitten haben wir hergeleitet, dass die Digitale Transformation in Produktionsbetrieben und die Schaffung einer Smart Factory im Sinne der Industrie 4.0 nur gelingen kann, wenn bereits im Shop Floor digitalisiert gearbeitet wird und strukturierte Daten erhoben werden können.

Die meisten Unternehmen stehen gerade am Anfang Ihrer Reise zum digitalen Unternehmen. Es ist hilfreich, sich bereits am Anfang mit den Zusammenhängen zu befassen und die Voraussetzungen im Shop Floor zu schaffen, bevor eine Investition in Richtung Smart Factory getätigt wird. Verglichen mit dem Aufwand einer durchdachten, langfristigen, skalierbaren und nachhaltigen Daten- und Vernetzungsstrategie ist die Digitalisierung des Shop Floor ein triviales Unterfangen. Den Großteil der digitalen Datenerhebung kann man über digitale Checklisten abbilden und gleichzeitig Mehrwerte im Bezug auf Compliance, Quality Culture und Prozessoptimierungen generieren.

Die Erkenntnisse eines digitalen Qualitäts- und Prozessmanagements mittels Checklisten verhelfen u.a. zu einer erhöhten Performance, Motivation und Zufriedenheit der Belegschaft sowie im Supply Chain Kontext zu einer verbesserten Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten. Die erhobenen strukturierten Daten versetzen Unternehmen in die Lage, die IT-Infrastruktur unter Berücksichtigung des technologischen Wandels besser zu verstehen und Optimierungspotentiale zu erkennen. Dadurch verändert sich auch die IT-Perspektive in Bezug auf Vernetzungs- und Datenstrategie, da IT Governance, Security und Schnittstellen angepasst werden können, um die vorhandenen Daten besser konsolidieren und in Bezug setzen zu können.

Als Ergebnis dieses Change Prozesses wird sich auch die Business Perspektive verändern, denn mehr Daten geben mehr Spielraum für KPIs und Prognosen. 

Im letzten Schritt und auf Basis eines voll digitalisierten Shop Floors, erstellt man die finale Daten- und Vernetzungsstrategie. Je besser die Datenstruktur und Konsistenz der vorhandenen digitalen Daten ist, desto mehr Performance erreichen auch IOT/IIoT Lösungen. Folgende Punkte sind primär zu berücksichtigen:

  1. Digitalisierung des Shop Floor
  2. Konsolidierung der erhobenen Daten (Human-Generated / Machine-Generated)
  3. Bereinigung der IT-Infrastruktur und Schaffung eines universellen Daten-Hubs
  4. Definition der finalen Business Perspektive (KPIs & Prognosen Wunschliste)
  5. Inanspruchnahme von Lieferantenexpertise und Best Practice (Trust Culture)
  6. Definition der Daten- und Vernetzungsstrategie (Smart Factory Konzept)
  7. Planung der Umsetzungsstrategie und Rollout Szenarios

Die Digitalisierung im Shop Floor und die Erfassung sowie bestmögliche Nutzung von “Human-Generated-Data” ist sozusagen das Fundament, auf dem die digitale Transformation stehen wird. 

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